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#barcelona #ramblas
Published: 2020-01-31 21:53:06 +0000 UTC; Views: 353; Favourites: 18; Downloads: 0
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Description
Spanien2017
Die Nachmittagssonne Kataloniens blendete.
Eine verstörende Kakofonie aus Schreien und entgeisterter Rufe brandete an mich heran. Durchdrungen von herzzerreißendem Wimmern und Weinen.
Während nahendes Sirenengeheul alles übertönte.
Blut verklebte mir die Nase und war auch das einzige, dass ich im Mund schmeckte.
Schemen huschten vorbei.
Waren wohl rennende Personen. Aber mein Bewusstsein konnte sich nicht genug lange darauf fokussieren, um sie wirklich wahrzunehmen.
Da ich an den Fußsohlen keinerlei Widerstand spürte, auch wenn mir ein Schuh fehlte, lag ich wohl auf dem Rücken. Obwohl mir im Moment war, als schwebe ich.
Alles verschwamm.
War ich nicht zuvor mit meinen Kollegen auf der Rambla unterwegs gewesen?
Irgendwie fielen mir ihre Namen nicht mehr ein, konnte mich nicht an ihre Gesichter erinnern. Dafür musste ich an Mutter denken.
Mir war kalt …
“Bleibt bei mir!“
Plötzlich waren diese smaragdgrünen Augen da, eingerahmt von hellbraunem Haar, in das ein rosafarbenes Bändel hineingeflochten war.
„Es wird alles gut.“ Sprach die 15-jährige mit den strahlenden Augen auf mich ein. „Ihr werdet überleben.“
Das Mädchen war mir bereits aufgefallen, als sie auf der Hauptpromenade Barcelonas Blumen verkauft hatte. Schon dort hatte sie mich so seltsam angestarrt. Kurz bevor die Panik ausbrach … und das Motorengeräusch eines Lieferwagens das letzte war, an das ich mich noch bewusst erinnerte. Als meine Welt aus den Angeln gehoben wurde.
Mein Kopf lag in ihrem Schoss, als sie mir vorsichtig einige Haarsträhnen aus dem Gesicht wischte. Überall war Blut. Mein Blut.
„Euch ist etwas anderes bestimmt.“
Mit der Hand stützte sie mein Genick.
Sie versteifte sich, wurde ihre Miene, ihre ganze Haltung ernster. Und mit Spaniens blendender Sonne im Rücken, schien es jetzt sogar, als umgebe sie ein leuchtender Halo.
„Was fortdauerte und verborgen bleiben muss, verberge ich nun.“
Irgendwie klang und wirkte sie viel älter als sie aussah.
„Hütet und behütet, was schon immer Euer war. Auf das es während der finalen Konfrontation das Schicksal zu Euren Gunsten wenden möge.“
War ich so verwirrt oder sprach sie wirklich in Rätseln. Ich realisierte kaum, dass sie sich weder auf Spanisch noch Katalanisch äußerte, nicht einmal in zeitgemäßem Englisch - und dass ich sie trotzdem einwandfrei verstand.
Aber dafür durchlief mich das absolut bizarre Gefühl, als löse sich etwas solides von ihren zierlichen Fingern und bohre sich wie magnetisch angezogen in meinen Schädelknochen oberhalb der Halswirbel.
Hätte das nicht schmerzen sollen?
„Es wird alles gut.“ Wiederholte das Mädchen. Sie wirkte nun wieder wie ein normales Kind, dessen Stimme angenehm beruhigend und tröstend klang.
Wenn ich auch ansonsten keine Schmerzen spürte, praktisch nichts mehr wirklich wahrnahm ... bedeutete das nicht, das ich schon tot war?
„Ihr werdet Leben!“
Ich konnte die Sorge in ihrem Gesicht sehen. Aber auch ihre Entschlossenheit.
Und ich wünschte mir so sehr, dass sie Recht hatte.
Ich versuchte zu lächeln.
Sie erwiderte das Lächeln, während sie mir sanft über die Wangen strich.
„Ruht Euch aus. Ihr seid in sicheren Händen. Sammelt Eure Kräfte und werdet wieder gesund.“
Eine erlösende Ruhe erfüllte mich.
„Denn bewegte Zeiten erwarten Euch. Einst werdet Ihr das Schicksal der Menschheit entscheiden.“
Noch bevor ich reagieren konnte, schloss sie mir die Augen.
„Findet jetzt Erholung.“
Ich fiel in einen tiefen Schlaf, aus dem ich erst Monate später erwachen sollte.